Der Plan für heute: bei schwachem bis mässigem Südwind unter Genua nach Port Lligat segeln, wo eine reservierte Boje auf uns wartet. Diese Bucht, die ich mit Stephan schon einmal mit dem Auto besucht habe, bietet Schutz vor Schwell und Wind aus allen Richtungen ausser Nordost.
Der Wind weiss allerdings nichts von Windy, Windguru und Gripfiles und bläst aus-? Genau: Nordost. Und das durchaus ordentlich.
Wir beschliessen, dass die Lage sich im Tagesverlauf schon noch zu unseren Gunsten ändern wird und zäumen unser tüchtiges Seepferd auf für einen harten Am-Wind-Kurs, Schwimmwesten und Lifebelts inklusive. Brendanus fliegt über die Wellenkämme, Cora an der Pinne steuert sie mit sicherer Hand. Der Spassfaktor steigt ins Unermessliche, das Aufkreuzen liegt noch im Rahmen. Hinter dem Kap von Roses lässt der Wind tatsächlich ein wenig nach und dreht auf Ost. Wir rauschen stressfrei in die Lligat-Bucht und sehen uns nach dem Bojenbetreiber um, der uns die richtige Boje zuweisen soll. Doch niemand lässt sich blicken. Wir suchen uns eine Boje aus und machen fest. Cora meint, hier sei es bis jetzt am schönsten! Wir haben also nicht zu viel versprochen. Und im übrigen hat in dieser Bucht bis 1985 oder so der berühmte Maler Salvador Dalí gewohnt, dessen Haus auch heute noch besichtigt werden kann. Er verfügte wohl auch ein Bauverbot in der Umgebung, so dass im Unterschied zu den meisten anderen Küstenorten an der Costa Brava keine scheusslichen Hochhaus-Hotelkomplexe zu sehen sind. Wieder einmal beabsichtigen wir zwei Übernachtungen, da Südwind mit bis zu 30 kn vorhergesagt ist, der die Rückfahrt in Richtung Empuriabrava eher ungemûtlich gestalten würde. Dem Abkassierer, der doch noch erscheint, uns eine andere Boje zuteilt und 40 € für eine Nacht abknöpft, teilen wir mit, dass wir erst morgen entscheiden würden, ob wir eine weitere Nacht bleiben möchten. Zu Coras Begeisterung kommt unsere neu erstandene Wasserhängematte zum Einsatz.
Gegen Abend tuckern wir mit dem Dinghi an Land und marschieren zu Fuss nach Cadaques, vorbei an Wildschweinen, Dalís Haus und massenhaft Hasenohrkakteen.
In der Nacht frischt der angekündigte Südwind bereits ganz schön auf. Wir wissen unseren ruhigen Liegeplatz zu schätzen und sind froh, uns nicht für die Bucht von Cadaques entschieden zu haben, die nach Süden offen ist.
Den stürmischen Tag verbringen wir lesend und badend und beschliessen ihn mit einer Scrabble-Challenge, die Stephan auf Grund eines 60-Punkte-Absahners gewinnt (sehr zum Missfallen der Frauen). Dann kommt der Tag, an dem wir die Rückfahrt nach Empuriabrava vor uns haben. Eigentlich hatten wir bis mittags noch in Lligat bleiben und dann langsam aufbrechen wollen, um, so die Vorhersage, bei wenig Südwind auf die Nase zurück zu motoren.
Der morgendliche Skipperblick aus der Luke erfasst jedoch zünftigen SO, der sich gemäss Windy im Tagesverlauf noch steigern soll. Also erfolgt das Kommando „Leinen los!“ schon deutlich früher als gedacht, damit sich die anspruchsvolle Einfahrt in den Hafen von Ampuriabrava nicht zur Harakiri-Übung entwickelt. Der Abkassierer hat seine Chance auf nochmalige 40 € damit vertan.
Wir kramen unser Ölzeug hervor, weil wir auf dem eingeschlagenen Kurs bei beeindruckenden Wellen richtig nass werden. Cora steuert die Brendanus mit Vergnügen, und Brendanus bedankt sich mit freudigen Hüpfern durch die Wogen. Was für ein tolles Schiff! Bei mir hüpft allerdings mehr der Magen…
Wir liefern uns eine kleine Regatta mit einer roten Yacht, die aber unentschieden endet, da der Konkurrent nach einiger Zeit auf einen anderen Kurs wechselt. Gegen frühen Nachmittag laufen wir schliesslich im Heimathafen ein. Gerade noch rechtzeitig, denn später fängt es heftig an zu kacheln.
Brendanus und ihre Crew gönnen sich als erstes eine entspannende Süsswasserdusche. Eineinhalb Tage lang sind wir dann mit den üblichen Aufräumarbeiten beschäftigt und bereiten unser wackeres Schiff fürs Winterlager vor. In diesem Jahr wird sie nicht mehr mit uns unterwegs sein.
Ganz herzlichen Dank der Brendanus-Crew für die erheiternd-witzigen, ehrlichen und toll geschriebenen Berichte. Ich kann es immer kaum erwarten, bis wieder etwas angetakelt kommt, und so viele Mal nicke ich wohlweislich mit dem Kopf und die Mundwinkel ziehen sich in die Höhe, wenn mir Kerstin mit "irgendwas ist halt immer" aus der Seele spricht. Segeln ist wohl die Kunst, das Unvorhergesehene zu meistern, dabei locker zu bleiben und innerlich laut OHM zu brummen. Segeln ist Lebensschule, bildet und bringt Gelassenheit. Nature talks!
Nochmals herzlichen Dank - auch für die tollen Bilder!
Bis bald auf der "Amélie" - BIG HUGE - Binia