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AutorenbildKerstin

Morgenstimmung


Die frühen Morgenstunden, wenn die ersten Sonnenstrahlen aufs noch feuchte Deck fallen, sind die schönsten im Segleralltag. Bis auf die Möwenschreie, die auch nachts immer wieder zu hören sind, herrscht absolute Stille in der Ankerbucht. Selbst wenn einige Skipperinnen kurz nach Sonnenaufgang schon im Cockpit sitzen, so tun sie das andächtig, leise und höchstens mit einer dampfenden Tasse Kaffee in der Hand. Der Morgendunst über dem Wasser löst sich langsam auf, und vielleicht hat man ein beeindruckendes Panorama der Küstenlinie vor sich. Heute früh können wir die traumhafte Silhouette von Marseille bestaunen, die von der Morgensonne vergoldet wird. Wir ankern auf der Ile de Frioul, die der grössten Hafenstadt Südfrankreichs vorgelagert ist. Unser Revierguide erwähnt lapidar, dort könne man gut geschützt vor allen Winden nächtigen, vergisst aber zu erwähnen, dass es sich um eine Traumbucht handelt. Wir teilen sie zwar mit ein paar anderen Yachties, aber wir haben schon festgestellt, dass die Franzosen sich ziemlich cool seemännisch präsentieren und meist auch sehr schiffige, kaum überkandidelte Boote fahren. Neben uns ankert ein Stahlschiff, Zweimaster, dessen Aufschrift die Zugehörigkeit zu einer lokalen Umweltschutzorganisation verrät. Gemäss Google wird dieses Schiff demnächst nach Grönland zu Walforschungszwecken aufbrechen. Spannend!

Hinter uns liegen zwei Törntage, die uns allerhand Überraschungen eingebracht haben. Nach unserer Nacht in der Marina Cap d‘Agde erhielten wir als Abschiedsgeschenk eine Flasche eisgekühlten Rosé. Vive la France! Mit Ziel Saintes Marie de la Mer stellten wir uns auf eine Motoretappe ein, da kein brauchbarer Wind angesagt war. Doch manchmal kommt es anders, und wir konnten mit Halbwind aus Süden einige Stunden lang Genussegeln zelebrieren. Brendanus gab ihr bestes und lag auch bei 15 Knoten Seitenwind noch wie eine Flunder auf dem Wasser. Saintes Marie de la Mer empfing uns buchstäblich mit offenen Armen, da sämtliche Steganrainer zusammenkamen, um sich an unserem Anlegemanöver teils aktiv durch Anreichen der Mooringleine, teils durch durcheinandergerufene Ratschläge zu beteiligen. Erfahrene Boaties können sich vorstellen, was ich meine…

Sobald Brendanus sicher vertäut war, reichte uns der deutsche Skipper von nebenan zu Begrüssung ein eiskaltes Bier und versorgte uns mit Tipps für kulinarische Highlights in der Region. Am Steg sassen etliche Franzosencrews auf ihren alten Hochseeyachten beim Rotwein, und von überall schallte uns ein herzliches „Bonsoir“ entgegen. Als auch noch die exklusiven Sanitäranlagen uns mit einer warmen Dusche verwöhnten und der Fisch im Hafenrestaurant ausgezeichnet mundete, dachten wir über einen vorgezogenen Ruhetag nach, um uns das malerische Städtchen anschauen und die Annehmlichkeiten der Marina noch länger in Anspruch nehmen zu können.

Aber: wir sind ja auf einem Überführungstörn und nicht zum Vergnügen hier. Meilen machen heisst die Devise, und so klingelte der Wecker doch wieder zu früher Stunde, und wir verliessen Saintes Marie ohne Wein, aber mit guten Erinnerungen im Gepäck.



Entgegen der Vorhersage zog der Himmel ein schleiergraues Gewand an, das nur die fahle Ahnung einer Sonne durchliess. Lange Hose und Pulli waren angesagt. Ich verspürte einen leisen Anflug von Seekrankheit, der sich aber sofort legte, als Wind aufkam. Auch der war nicht angekündigt und frischte sogar soweit auf, dass die Brendanus mit 1. Reff auf der Kante surfte. Die Besatzung jauchzte.

So segelten wir in den Abend hinein, der uns am Ende zwar keinen Wind mehr, dafür aber ein orangefarbenes Licht und die Beinahe-Kollision mit der Tunesienfähre bescherte.




Zum Sonnenuntergangsblick auf Marseille köpften wir bei Pasta und Salat die Flasche Rosé und waren uns einig, dass Ankern in Buchten einfach nicht zu toppen ist.

Inzwischen motoren wir, den morgendlichen spiegelglatten Ozean nur mit einigen Fischern und early-bird-Seglern teilend, einem neuen Törn -Highlight entgegen. Heute Abend werden wir unseren Freund Martin auf seiner Amélie treffen, der vor ein paar Tagen aus Genua zu seiner Weltreise aufgebrochen ist und uns entgegensegelt. Wir freuen uns unbeschreiblich.




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