Von einer ruhigen Nacht können wir bis etwa 4 Uhr morgens sprechen. Dann weckt uns ein Pfeifen und Vibrieren in den Wanten und Stagen. Der (nicht angekündigte) Tramontana sagt Guten Morgen und reisst unser Landstromkabel unsanft aus der Anschlussbox. Mit 5 Festmacherleinen verhindern wir, dass die Brendanus sich losreisst und schlürfen im Schutz des Cockpits einen Kaffee, bis der niederprasselnde Regen uns wieder in die Kajüte scheucht. Schade eigentlich, denn das Morgenlicht zwischen den pechschwarzen Wolken zaubert eine besondere Stimmung, und kalt ist es auch nicht. Der Windmesser zeigt Böen bis zu 40 Knoten an.
Statt Frühstart um 7 entscheiden wir uns für Abwettern am Steg, zumal die tagesaktuelle Wetterapp Besserung ab 10 Uhr verspricht. Immerhin haben wir eine Gratisnacht in der Marina verbracht, denn unser Aufenthalt am Gästesteg hat niemanden interessiert, und das Hafenbüro hatte am Abend um 6 bereits geschlossen.
Voller Vorfreude auf 15-20 Knoten Westwind (Wetterapp) laufen wir bei bedecktem Himmel aus. Spiegelglattes Meer, kein Lüftchen. Mit der Zeit kräuselt sich die Wasseroberfläche. Wir sehen 9 Knoten Halbwind auf der Anzeige. Also hoch die Lappen! Den magischen Moment der Stille beim Ausschalten des Motors habe ich ja bereits in früheren Beiträgen geschildert. Diesmal geht er einher mit -Windstille. Kaum sind die Segel oben, hört der Wind auf. Das ist echt IMMER so. Irgendein Fluch muss da schuld sein. Das bedeutet: Segel wieder einholen. Motor an. Schweigen. Nach weiteren Stunden: auffrischender Wind! Locker 10-12 Knoten, juhui! Die schlechte Nachricht: Genau. Auf. Die.Nase. Wenn Wind, dann von vorne. Das gibt es doch nicht. Wo bleibt der angesagte Westwind? Oder Südwind? Den würden wir auch mit Handkuss nehmen! Aber wir müssen 40 Meilen nach Norden, und genau von da bläst es. Das ist echt IMMER so. Und schliesslich haben wir unser Etappenziel, Cap d‘Agde, in der Ferne erspäht. Die gute Nachricht: der Wind dreht auf südliche Richtung und weht mit perfekten 11-15 Knoten. Da lacht das Seglerherz! Wir freuen uns auf zwei Stündchen Genusssegeln, bis wir auf diverse Seezeichen und zu umschiffende Inselchen achten müssen, um in die Marina zu gelangen. Das Grossegel ist flugs hochgezogen, die Genua folgt sogleich. Sollte man meinen. Aber: irgendein Teufelchen hockt in der Rollreffanlage oben am Mast und verhindert, dass sich das Vorsegel ausrollt. Wir geben alles, aber das Problem lässt sich auf die Schnelle nicht lösen. Offenbar hat sich ein Fall ganz oben verdödelt. Der neue Plan lautet, im sicheren Hafen das ganze Vorsegel nochmal runterzunehmen und neu zu setzen, nachdem alle Leinen und Fallen gecheckt sind. Myriaden von Segelbooten rauschen an uns Stangenfahrern vorbei. Unter Vollbesegelung natürlich. Fehlt nur noch, dass sie winken. Unser Motor surrt.
Aber wir machen schliesslich einen Überführungstörn und keine Genussfahrt, deshalb ist Hadern fehl am Platz.
Nach dem Einlaufbier in der Marina Cap d‘Agde rollen wir die Genua auseinander und wieder zusammen. Für morgen sollte einem genussvollen Segeltag nichts mehr im Wege stehen.
Obwohl: Stephan murmelt beim Blick auf die Wettervorhersage gerade was von Ostwind.
Marseille, unser nächstes Ziel, liegt im Osten…
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