Am Morgen bleiben die Segel unten, es ist windstill. Auch die See liegt nur leicht gekräuselt vor uns. Die Fähre aus Unije hat schon früh für Schwell in der Bucht gesorgt. Auf dem Nachbarboot werden Fische geangelt, um gleich wieder zurück ins Wasser geworfen zu werden. Dieses fragliche Vergnügen hat sich mir noch nie erschlossen.
Ruby lässt sich widerstandslos starten und hinterlässt eine weisse Spur im tiefblauen Wasser. Wir werden heute Flaute haben (wenn wir den Apps mit den Pferdestorys noch glauben können) und fahren nach Liski. Oder Susak. Oder doch nach Ilovik oder in eine Ankerbucht nahe der Insel? Boatlife heisst frei sein. Hinter Zeča zeigt sich für einen Moment ein ziemlich grosser Delfin, meine Sichtung kann aber leider nicht bestätigt werden. Wegen der Grösse und des ungewöhnlichen Gebarens des Tieres - nur einmal auftauchen ist selten- beschliessen wir, dass es sich um einen Schweinswal gehandelt haben muss.
Stephan spottet kurze Zeit später auch noch einen Delfin, der sich immerhin 2x zeigt und delfinisch aussieht.
Während Stephan sich unter Deck mit dem Schwarzwassertank beschäftigt, rufe ich all hands on deck zum Manöver. Ich habe Treibgut entdeckt, das geborgen werden muss. Mit dem Bootshaken (alt, aus Gründen 😜) fischt Stephan ein buntes Schwimmbrett aus dem Wasser, das wohl von einem Kind schmerzlich vermisst wird. Es wird bei meinem nächsten Abendswim zum Einsatz kommen.
Wir motoren weiter und betrachten die vorbeiziehende Küstenlinie. Lubenice, auf der Felskante thronend, Martinsčica mit seinen Ferienhäuschen, in der Ferne Osor mit dem Kirchturm als Landmarke, das Westufer von Lošinj, die Umrisse von Unije und Susak. Stangensegler und Motorboote tuckern bzw. düsen dazwischen hin und her und bevölkern schliesslich die unzähligen kleinen und grösseren Buchten. Mein Wunsch, in der Bucht Porat auf Susak vor Anker zu gehen, zerschlägt sich auf Grund der Windvorhersage. Die Bucht ist leider bei westlichen Winden völlig ungeschützt.
Wir umrunden die Südspitze von Lošinj und sehen Ilovik vor uns. Stephan hat auf Navily einen Tipp für eine Ankerbucht im Norden von Ilovik gelesen. Attraktiver erscheint uns aber die nahegelegene "Karibikbucht" von Male Orulje mit türkisblauem Wasser und sandigem Untergrund. Die Bucht ist nicht sonderlich gut geschützt, sollte aber bei ruhigem Wetter safe sein. Einige Boote liegen schon vor Anker, aber es gibt noch reichlich Platz für uns. Stephan beendet seine Telefonkonferenz für das Ankermanöver, fragt den netten slowenischen Bootsnachbarn, wo dessen Anker liegt, um unliebsames Kettenwooling zu vermeiden, und wir lassen unseren Anker entspannt in 4 m Wassertiefe fallen. Später ankommende Chartercrews sind weniger entspannt unterwegs und verursachen bei undurchschaubaren Manövern einige Wallung an Bord der Eignerschiffe. Am Ende liegen aber alle friedlich in der Bucht und führen ihre SUPs und Kajaks spazieren. Nach einem Bad in herrlichem Wasser (mit dem neu eroberten Schwimmbrett) klingt unser Abend bei einem schwäbischen Maultaschenmenü und Kroatisch-Vokabeln aus. Während ich das schreibe, fällt mir eine Parallele zum Blogbeitrag "Ein Bootshaken für Neptun" auf 😅!
Nach einer ruhigen Nacht werde ich früh wach. Im hochgeklappten Fenster der Decksluke spiegelt sich orangefarbenes Licht. Ohne den Skipper zu wecken, klettere ich ins Cockpit - gerade rechtzeitig, um einen traumhaften Sonnenaufgang über dem Festland zu geniessen. Das Meer liegt spiegelglatt vor mir, auf den Nachbaryachten regt sich noch kein Lebenszeichen. Mittlerweile ist auch Stephan wach und gesellt sich zu mir an Deck. Wir tauchen ins 28 Grad warme Wasser und saugen die Morgenstimmung auf.
Gegen 9 Uhr holen wir den Anker hoch und peilen Premuda an. Es ist so ein Morgen zum Schweigen und Staunen. Die Sicht ist wegen des spätsommerlichen Dunstes eigentlich nicht sehr gut, aber die pastellgrauen und - blauen Umrisse von Festland und Inselwelt mit weit verstreut hingetupften Dreiecken von Segelbooten auf dem glitzernden Wasser machen uns ganz ehrfürchtig. Wie viele Male haben wir diese Kulisse schon bewundert, und doch liebe ich sie immer wieder aufs Neue.
Ob wir auf Premuda ankommen oder auf Ist oder sonstwo, das spielt in diesem Augenblick überhaupt keine Rolle.
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