10 m lang und 3 m breit ist unsere schwimmende Ferienhütte. Will man in ihren Bauch klettern, muss man sich in bester Limbo-Manier zwischen Kompass und Sprayhood hindurchschlängeln und dann die steile Treppe (eher Leiter) den Niedergang hinunter in den Salon steigen. Das schöne an Schiffen ist, dass der Haupt-Aufenthaltsraum immer vornehm „Salon“ genannt wird, auch wenn es sich um ein enges Kabuff mit maximal 1,85m Stehhöhe handelt. Unserer ist ausgestattet mit einem aufklappbaren Tisch und zwei Bänken, die auch als Gästekojen dienen. Hinter und unter und über den Sitzbänken gibt es reichlich Stauraum für Werkzeug, Küchenutensilien, Lebensmittel und was das Seefahrerherz sonst noch so begehrt. Die kleine Brendanus ist ein Platzwunder und bis in den letzten Kubikzentimeter perfekt ausgenutzt, ohne dass während der Fahrt alles klappert und rutscht.
An Steuerbord, gleich neben dem Niedergang, ist die Küche oder Pantry installiert: es gibt einen kardanisch aufgehängten 2flammigen Petroleumkocher, bei dessen Benutzung man tunlichst die Löschdecke bereithalten sollte, weil bei der kleinsten Unaufmerksamkeit während des Zündvorgangs riesige Stichflammen die darüberliegende Elektrik abzufackeln drohen. Eine geräumige Kühlbox in der Ecke muss nach einem bestimmten Stapelprinzip eingeräumt werden, damit nicht alles darin herumfliegt. Das bringt mit sich, dass man den ganzen Kühlschrank ausräumen muss, wenn man nach erfolgreichem Ankermanöver nach dem Einlaufbier lechzt. Will man eine Zwiebel oder sonstiges Gemüse schneiden, muss dazu der Tisch ausgeklappt werden. Das führt dazu, dass der Durchgang ins Vorschiff blockiert ist, falls in dieser Zeit jemand die Toilette aufsuchen möchte. Die Spüle ist das einzige Waschbecken an Bord, so dass hier sowohl Geschirr als auch Tomaten und Zähne geputzt werden. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass man dabei den Kopf um 45 Grad zur Seite neigen muss wegen Stehhöhe und so.
Auf der Backbordseite neben dem Niedergang befindet sich des Skippers Heiligtum, der Navigationstisch. Hier hängen elektronische Instrumente, hier werden die Seekarten ausgebreitet und studiert. Auf keinen Fall darf die Steckdose für den Wasserkocher benutzt werden! Heilige Stätte eben.
Hinter dem Naviplatz versteckt sich der Eingang zur sogenannten Hundekoje. Es handelt sich um einen weiteren Schlafplatz, den ich aber nicht mal meinem Hund zumuten würde. Bei der Übernahme der Brendanus bin ich zu Putzzwecken mal kopfvoran da reingekrochen und habe eine Panikattacke bekommen, weil ich sozusagen drin steckengeblieben bin. Seither dient uns diese Koje als Stauraum für allerhand nützliches und unnützes Zeugs.
Hat man den Salon durchquert, gelangt man in den Durchgang zwischen Mast und Vorschiffkajüte, wo das Badezimmer liegt. In gebückter Haltung dreht man sich um die eigene Achse, schliesst die Tür zum Vorschiff und die zum Salon und lässt sich auf dem WC nieder. Es stehen gefühlt 0.1 qm Platz zur Verfügung in diesem Abteil. Eigentlich sitzt man in einem Schrank. Immerhin gibt es ein kleines Fenster, und die Spülung funktioniert ausgezeichnet.
Im Vorschiff, unserem Schlafzimmer, können wir die einzige Decksluke des Schiffes öffnen, damit uns ein Lüftchen um die Nase weht. Die Matratzen sind ausreichend breit und bequem, und als Decken haben sich Schlafsäcke bewährt. Zu unseren Füssen kringelt sich freiliegend die Ankerkette, die je nach letztem Ankergrund Fisch-und Seegrasdünste absondert.
Die meiste Zeit aber verbringen wir auf unserer „Terrasse“. Brendanus verfügt über ein geräumiges Cockpit, in dem wir es uns während der Fahrt, aber auch am Ankerplatz oder im Hafen gerne gemütlich machen. Natürlich muss man bei Platzwechseln über die Pinne oder den Traveller steigen und ist dem Steuermann oder der -frau ständig im Weg, aber man atmet den ganzen Tag frische Seeluft und lässt den Blick über Meer und Küste schweifen. Weil das Schiff sehr flach im Wasser liegt, sind vorbeischwimmende Meeressäuger oder andere spannende Objekte buchstäblich zum Greifen nah.
Geduscht wird übrigens unter einem am Mast aufgehängten Sack, so dass je nach Ankerplatz auch immer reichlich Zuschauer am Start sind.
Alles in allem reist es sich auf so einer alten Fahrtenyacht ziemlich unbequem. Das wird einem umso mehr bewusst, wenn man auf so einem Luxusteil wie der Amélie zu Gast ist, wo man aufrecht über eine normale Treppe in den Salon wandelt, der diesen Namen auch tatsächlich verdient. Wo heisses Wasser aus normalen Hähnen fliesst und der Icemaker für die Eiswürfel in den Softdrinks sorgt, die man einem handelsüblichen Kühlschrank entnimmt.
Der Grossteil unserer Leserinnen und Leser wird die Erfahrung eines Campingurlaubs seit Jahrzehnten abgehakt haben und sich denken, wenn segeln, dann im Amélie-Style. Auch wir diskutieren immer wieder, aber nicht ernsthaft, ob wir uns nicht doch ein wenig mehr Luxus gönnen sollten. Unser Luxus ist die ganz bewusste Wahl des einfachen Bordlebens. Zu wissen, dass die Wasservorräte begrenzt sind und daher eingeteilt werden müssen. Sich eine einfache Mahlzeit auf einem klapprigen Kocher zuzubereiten, die in einer malerischen Ankerbucht beim Plätschern der Wellen 10x besser mundet als ein Gourmet-Menü in einem Sterneschuppen. Auf das tägliche Styling zu verzichten, weil den Walen herzlich egal ist, ob die Frisur der Watcherin sitzt. Und schliesslich auch die alten Knochen manchmal mehr bewegen zu müssen, als einem lieb ist, weil man doch merkt, dass es fit und geschmeidig hält.
Kurzum: wir lieben unser altes Schiff mit all seinen Unbequemlichkeiten. Wir lieben es, in der Natur mit ihr unterwegs zu sein und dabei auf all die Selbstverständlichkeiten unseres privilegierten Alltags zu Hause zu verzichten. Diese Wahl zu haben, ist für uns das wahre Privileg.
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