Die Nacht lässt ein wenig Spanien- oder Italienfeeling aufkommen, da der schwache Nordwestwind spürbaren Schwell in die Bucht spült. Es schaukelt also deutlich mehr als sonst üblich. Ich sitze in der Morgenkühle an Deck und warte, bis die ersten Sonnenstrahlen über den Hügel kriechen und mir die Nase wärmen. Das Gleiche macht ein Kormoran auf dem benachbarten Felsen (Schnabel, nicht Nase).
Der Skipper ruht noch etwas länger nach mehrfach durch Ankerwache unterbrochenem Schlaf. Dann Schwimmen und Kaffee. Ruby wird für die Weiterfahrt vorbereitet. Noch ist niemand unterwegs, nicht einmal ein Fischer. Nur die Fähre aus Unije brummt in der Ferne vorbei.
Beim Aufbruch erwarten wir eine ruhige Etappe unter Motor bis nach Ustrine. Ich wünsche mir nach Möglichkeit einen Badestopp vor der Karibikinsel Zeça, wenn Windrichtung und Welle dies zulassen.
Kaum biegen wir aus der Bucht nach Süden, spüren wir auffrischenden Wind aus NW bis West. Klar zum Setzen der Segel? Ist klar! So ist es am schönsten: man startet ohne grosse Erwartungen und wird dann doch von einer perfekten leichten Brise überrascht, die uns entspannt bis nach Zeça treibt. Aus der Distanz peilen wir die Lage: es scheinen nur zwei Segler und ein paar kleinere Motorboote vor der Insel zu liegen, so dass stressfreies Ankern gewährleistet ist. Unser Anker fällt auf 6 m ins türkisblaue Wasser. Eigentlich möchten wir baden, Siesta halten und vielleicht ein paar Snacks zu uns nehmen, bevor wir zu unserer Übernachtungsdestination aufbrechen. Doch dann, plötzlich: Wind! Aus Westen und über 10 Knoten! Der hat sich wieder mal an den Wetter-Apps vorbeigeschmuggelt. Wir wechseln einige wenige seemännische Blicke und sind uns sofort einig: raus aus dem Bikini, rein in die Segelhose und Anker auf!
Jetzt stellt sich nur die Frage, wie wir dieses unerwartete Geschenk am sinnvollsten ausnutzen, denn nach Ustrine ist es lediglich noch ein Katzensprung, und Ruby wäre kaum in Fahrt, da müssten wir sie schon wieder bremsen. Sind wir flexibel? Ja, das sind wir.
Auf geht's nach Unije!
Mit perfektem Wind zwischen 12 und 15 Knoten, der im Kanal zwischen Lošinj und Unije wie so oft noch auffrischt, surft Ruby, ganz in ihrem Element, auf die nördlichste der 3 Buchten an der Ostseite Unijes zu. Dort waren wir noch nie und freuen uns daher, in unserem Heimatrevier wieder etwas Neues auszuprobieren. Inzwischen sind sogar Schaumkrönchen in Sicht, so dass wir das erste Reff ins Grosssegel einbinden, um Ruby besser händeln zu können.
In Sichtweite der Bucht zeigt sich, dass noch ausreichend Platz zum Ankern zwischen den bereits anwesenden Booten ist, so dass wir schliesslich zwischen einer slowenischen und einer "Nationalität unbekannt" Segelyacht zu liegen kommen. Die Bucht ist ruhig und geschützt, und auch die angekündigte Bora (wann kommt sie überhaupt??) sollte uns hier nichts anhaben können. Nur die Mega-Motoryacht unter österreichischer Flagge wird von uns mit gewisser Skepsis beäugt, da wir in ihrer "Garage" einige Jetskis erblickt haben. Wir hoffen einfach, dass die Motorfreaks sich mit ihren Spielzeugen schon tagsüber ausgepowert haben.
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